… oder ein anderer Blick auf eine Alpenwoche
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Eine Alpenüberquerung gehört scheinbar heutzutage zu einem Mountainbikerdasein dazu. In Gesprächen mit Leuten geht es beim Alpencross meist um Strecken, Kilometer, Höhenmeter, Schwierigkeitsgrade… Dabei kommen andere Aspekte kaum zur Sprache, z.B. das Gruppenerlebnis, die Sinneseindrücke…
Für mich war Letzteres eigentlich das Wichtigste und Beeindruckendste: Alpenross als ein Fest für die Sinne…Alle wichtigen Sinne waren ständig angesprochen: das Sehen, das Hören, das Riechen, das Fühlen, das Schmecken…Achtsamkeit hoch Drei!
[sections] [section title=“Schauen“]
Erstmal ist die Überquerung der Alpen, gleich ob zu Fuß oder mit dem Rad, ein Fest für die Augen. Ein nie enden wollender Farbfilm läuft ab: Hinter jeder Wegkehre ändern sich Kulisse und Panorama und damit auch die Farben. Je nach Wegstrecke und Jahreszeit blicken wir auf sattes Grün oder das schon trockene Braun des Grases, Felsen schimmern grau und fleckig, oft zieht sich das Band des Weges, dem wir folgen hell durch die relativ dunkle Landschaft. Die Berge selbst tragen je hach Höhe ihr eigenes Farbkleid: mal grün mit Bäumen bewachsen, mal Grün mit Gras bewachsen, ein andermal ragen sie still und grau in den Himmel. Und bald sind sie mit leuchtendem Schnee bedeckt oder glitzernden Gletschern. Über allem thront ein intensiv blauer Himmel, auch mal garniert mit weißen Schönwetterwolken oder – auch nicht zu verachten – weiße und graue Wolken hängen tief bis in die Täler oder steigen von ihnen nach oben. Was das Auge zudem erfreut, aber auch fordert, ist der ständige Wechsel der Szenerie, die immer neue Zusammensetzung all dieser Elemente und Farbtupfer. Und dem achtsam Reisenden fallen auch immer wieder „Kleinigkeiten“ auf: die Silberdistel in der Wiese, ein knorriger Baum am Wegrand, das obligatorische Murmeltier, eine schön gemaserte Wurzel, über die wir rollen…
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So kitzeln die wechselnden Szenarien aber auch andere Sinne, zum Beispiel das Gehör.
Es gibt doch nicht viel Beruhigenderes als ein sanft rauschender Bach, der neben einem her durch ein Tal läuft. Mal gluckert es, mal rauscht es stärker, bis sogar ein Wasserfall ein regelrechtes Donnern hören lässt. In den Alpenregionen gehört natürlich auch das Kuhglockengebimmel als Hintergrundmusik dazu. Eine besondere Mischung an Geräuschen gab es nachts am Julierpass. Bei offenem Fenster strömten neben frischer Luft herein: das Rauschen des Baches und des Windes, Kuhglockengebimmel und das Auf- und Abschwellen von Motorgeräuschen.
Aber auch weniger angenehme Geräusche können auftauchen: das Kreischen von Scheibenbremsen, das Hupen von Autos, das Gejaule von hochdrehenden Motorrädern. Aber diese Störgeräusche sind eher die Ausnahmen auf unseren Touren gewesen.
Meist hatten wir den allgemeinen Eindruck von Stille um uns herum, eine beruhigende Mischung aus permanenten Einzelgeräuschen…
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Bemächtigen sich die Geräusche oft eher vorsichtig und zart der Sinne und gelangen erst nach und nach ins Bewusstsein, so kommen die Gerüche eher überfallartig daher.
Man fährt aus einem Wald heraus und schlagartig füllt der intensive Duft der gemähten Wiese die Nase. Süß und würzig riecht es und fast meint man den Geschmack von Kräutern auf der Zunge zu spüren. Kein Geruch verbindet sich bei mir mehr mit Sommer und Ferien als der von gemähten Wiesen in den Bergen. Manchmal und meist morgens steigt von Bächen und Wiesen ein Geruch von Feuchte und Schwere auf, der einen eher frösteln lässt. Ebenfalls unvergleichlich und wunderbar ist der Duft von Nadelbäumen. Dort, wo die Sonne stark geschienen hat, ist er sehr intensiv oder auch dort, wo Bäume gefällt wurden. Tannen, Fichten und Zirbeln verströmen einen unvergesslichen Wohlgeruch…
Nicht immer wird aber der Geruch empfunden, den Tiere verströmen oder hinterlassen, aber wer mal einer Kuh auf die Pelle rückt und ihren Geruch bewusst einatmet, wird ihn eher als angenehm empfinden…
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Ein anderes Organ, das bei einem Alpencross oder auch sonst beim Biken stark beansprucht wird, ist die Haut. Über sie nehmen wir Druck, Feuchtigkeit, Temperaturen wahr. Ein besonderer Genuss ist es, Temperaturwechsel zu spüren. Aus einem eher kühlen Waldstück fahren hinaus auf eine offene Wiese oder in ein Tal hinein. Dabei hat man manchmal den Eindruck, in eine Wand aus Wärme hinein zu fahren. Die warme Luft umschmeichelt unsere Haut und kann uns vielleicht auch wieder aufwärmen. Umgekehrt kann das Eintauchen in kalte Luftschichten ein eher unangenehmer Schock sein. Aus Wärme kann sehr schnell – wie bei unserem Alpencross – Hitze werden – und der Schweiß läuft… Diese Eindrücke kann man bewusst wahrnehmen und sie gegebenenfalls auch genießen.
[sections] [section title=“Schmecken“][/section] [/sections]
Kommt das Wichtigste immer am Schluss? Das Schmecken? Für viele ganz klar: Essen und Trinken ist elementarer Bestandteil eines Alpencross und des Lebens sowieso.
Aber schon unterwegs, während der Tour, gibt es einiges zum Schmecken. Wer seine Flasche nicht mit wohlschmeckenden Brausetabletten auffüllt, kann den unverfälschten Geschmack von Alpenquellwasser kosten. Wir füllen ein paar Mal am Tag unsere Flaschen an einem Bach, an einer Kuhtränke oder mal an einem Friedhof auf. Besonders gutes Wasser bekamen wir im Engadin, in dem Dörfchen Sent, zu kosten. Dort spenden Dorfbrunnen „mineralisiertes Wasser“.
Auf einer Reise durch verschiedene Länder kann man sich gern auch auf die regionalen Spezialitäten einlassen und sie kosten. Unsere Mägen wanderten durch die österreichische, die schweizerische und italienische Küche. An einen Mittagspause in einem italienischen Ort erinnere ich mich besonders: Dort gab es hausgemachte Nudeln mit angebratenen frischen Pilzen.
Dass einem nach einem anstrengenden Tag abends ein Bier – mit oder ohne Alkohol – bestens mundet, versteht sich von selbst…
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Am Ende der Tour, am Comer See, vereinigen sich viele Sinneseindrücke nochmal zu einem kleinen Konzert: der Ort ist voller Geräusche von Autos und Menschen, die Wellen des Sees plätschern hörbar an den Strand, Möven fliegen herum und schreien, Enten schnattern, das Wasser des Sees riecht abgestanden und brackig, die Leinen an den Stangen der Boote im Hafen schlagen und Holz quietscht. Und es regnet… Mountainbiken ist mehr.
(Text:NM, Fotos: Jörg Anschütz, Norbert Martini)
Hallo,
toll geschrieben und das trifft es alles und noch mehr. Eine Sicht auf die vielleicht intensivste Woche, die ich je auf meinem Rad mit Freunden erleben konnte. Nach einer Woche Erholung drehen sich die Gedanken schon weiter. Vielleicht doch nicht „einmal und nie wieder“?
Zurück aus den Alpen , lese dieses Résumé . . . . Ja genau, dem kann ich nur uneingeschränkt zustimmen. Ein sehr lesenswerter Abschlussbericht. Toll!
Gru? Herbert
oh leck, chef!
manch enner wird saan: naja, bisje dick uffgetraa unn wirkliche jed klän denkbar empfindung groß unn brät hingeschrieb..
aaber: genau so isses! ein manifest! mal mehr, mal weniger, je nach stimmung.
und welch wohltuender unnerschied zur heutzutage oft zu hörenden umschreibung: komm, ma gehn trails ballern… :(
was iss reizvoller? ein kammerton A alleine oder das ganze synfoniekonzert?
es freut sich zur nächsten vorstellung auf der waldbühne… :)
de jörgi, mit bike unn gruß!