Die Rote Liste

Ein Artikel im neuen Greenpeace-Magazin beschreibt gut und etwas poetisch, warum das Aussterben von Tieren für uns Leute, die gern draußen sind, so problematisch ist:
„Mehr als ein Viertel der Tiere und Pflanzen sind vom Aussterben bedroht. Was bedeutet aber der Verlust der Vielfalt für uns Menschen?

Es schwindet nicht nur die Feldlerche, es schwindet auch das Gefühl, das ihr Gesang in uns Menschen zu wecken vermag. Vielfalt ist nicht bloß ein ökologischer Faktor. Vielfalt schöpft Schönheit, Freude, Kreativität und sollte auch deshalb geschützt werden…

An einem Sonntag in den Feldern, dort, wo die Siedlungen enden, scheint auf den ersten Blick alles beim Alten. Die Ähren stehen grün und dicht, an den Wegrändern wirft Wiesenkerbel seine weißen Dolden in die Luft. Insekten summen hin und her, und im Himmel singt eine Lerche ihr klirrendes Lied. Der Sommer ist da, gefüllt mit allem Leben, scheint es, und die Welt ist noch einigermaßen in Ordnung. Das Klischee der ländlichen Idylle stimmt.
Wer aber aufmerksam hinsieht, dem kommt vielerorts in Europa die natürliche Umgebung so vor, als hätte er es mit einem Menschen zu tun, der sich zwar höflich benimmt, in dessen Gesten aber doch etwas seltsam Künstliches mitschwingt. Noch erscheint Natur in unseren Landstrichen allgegenwärtig, aber ihre Qualität hat sich verändert. Die Mischung der Zutaten ist dürftiger geworden – ein dünner Ersatz der einstigen Selbstverständlichkeit, mit der man außerhalb besiedelter Räume einer Fülle von Tieren begegneten konnte.

Zwar trällert die Lerche, doch da, wo noch in den Achtzigerjahren der Gesang aus vielen Kehlen und aus allen Richtungen zu kommen schien, schmettert haute bloß ein vereinzeltes Männchen sein Lied. Die Lerche ist in Deutschland auf der Roten Liste als gefährdet verzeichnet. Der Rückgang dieser Tierart aber steht für mehr als biologischen Schwund. Er ist ein Angriff auf unsere seelische Erfahrung.

Was auf der Roten Liste steht sind nämlich nicht nur die Arten selbst. Der Gefährdungskatalog setzt hinter deren nüchterne Namen unsichtbar auch Empfindungen und Erlebnisse auf den Index. Ohne das Lied der Feldlerche erlischt eine unserer Möglichkeiten der Erfahrung, einen Wiese zu fühlen. Fühlen, wie es auch das schwirrende Lied des Großen Brachvogels vermittelt, das über die ungemähten Wiesen die sehnsuchtsvolle Erwartung des Sommers legt…

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Ein Katta…

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